IQNA

Der französische Bürgerrechtsforscher schrieb:

Islamfeindlichkeit ist Kern des politischen Diskurses in Frankreich

10:40 - July 12, 2023
Nachrichten-ID: 3008694
Paris (IQNA)- Um die Beweggründe der Motivation vieler junger französischer Bürger zu verstehen, muss man sich die aktuelle Situation in Frankreich ansehen. Tatsächlich herrscht hierzulande eine islamfeindliche und rassistische Atmosphäre. Islamophobie ist Kern des französischen politischen Diskurses und die Kriminalisierung des Islam und der Muslime ist zum Mainstream geworden.

Laut IQNA unter Berufung auf Middle East Eye ging Rayan Freschi, ein Forscher von CAGE, einer in Frankreich ansässigen nichtstaatlichen Bürgerrechtsorganisation auf die französischen Proteste ein und schrieb: „Am Vorabend der größten muslimischen Feier, Dem Opferfest Eid al- Adha wurde der französich-algerische Teenager Nahel Merzouk von einem Polizisten brutal ermordet, als er sein Auto anhielt. Zunächst bezeichnete die Polizei den Vorfall als Notwehr. Doch wurde die Szene gefilmt und bewies, dass der offizielle Diskurs falsch war und dass Naheel das Leben der Beamten nie in irgendeiner Weise bedrohte.

Als er zu fliehen versuchte, wurde er aus nächster Nähe erschossen. Das Video wurde in den sozialen Medien geteilt, verbreitete sich sofort viral und löste bereits wenige Stunden nach dem Mord landesweit eine Welle der Empörung aus.

Während sich französische Muslime auf ein religiöses Ereignis vorbereiteten, änderte sich ihre Stimmung aufgrund dieses Vorfalls plötzlich von Freude in Trauer.

In der Stadt Nantes, in der der Mord stattfand, kam es zu Aufständen. In der nächsten Nacht erreichten sie den Rest des Landes. Die Demonstranten richteten sich gegen Regierungseinrichtungen: Im ganzen Land wurden Stadtgebäude in Brand gesteckt, Polizeistationen angegriffen und einige Schulen zerstört. Geschäfte und Supermärkte wurden geplündert.

Es ist erwähnenswert, dass die meisten der an den Unruhen beteiligten Demonstranten Teenager sind. Um mit ihnen umzugehen, setzte die Regierung starke Methoden zur Aufstandsbekämpfung ein.

Ab Donnerstagnacht setzte das Innenministerium 45.000 Polizisten ein. Der Einsatz militärischer Waffen – darunter Tränengas und gepanzerte Fahrzeuge – zur Beruhigung von Randalierern ist mittlerweile an der Tagesordnung. Hunderte Menschen wurden festgenommen. Gerichte haben diese Woche die ersten beschleunigten Haftstrafen verhängt.

 

Unruhen sind Zeichen von Frustration und Wut über eklatante Ungerechtigkeit

Die Demonstranten sind der Ansicht, dass die Regierung – und ihrer Institutionen – die Hauptverursacher ihres Leidens sind. Die Unruhen sind eine Form des politischen Dissens, der von einer Generation von Muslimen und nicht-weißen Teenagern zum Ausdruck gebracht wird, deren Leben die französische Regierung als niedrig, billig und bedeutungslos ansieht.

In Frankreich gibt es eine Geschichte islamfeindlicher und rassistischer Morde durch die Polizei.

Seit 1991 kam es nach rassistischer Polizeibrutalität zu mindestens 21 gewalttätigen Protesten unterschiedlicher Art. Allein im Jahr 2022 starb jeden Monat mindestens ein afroamerikanischer männlicher Staatsbürger durch Polizeigewalt.

 

Warum wird in Frankreich protestiert?

Diese Gewalttaten haben ihre Wurzeln in der kolonialen Vergangenheit Frankreichs: „Die Funktion der Strafverfolgung bestand darin, einheimische muslimische Bevölkerung den Werten der Republik zu unterwerfen und sie daran zu hindern, ihre politische Opposition legitim zum Ausdruck zu bringen.“

 

Islamfeindlichkeit ist Kern des politischen Diskurses in Frankreich

 

Die derzeitigen Polizeikräfte übernahmen diese Rolle in einem anderen Kontext. Polizeibrutalität ist ein systematisches Problem mit konkreten politischen Zielen: Sie ist Instrument der französischen Regierung, um republikanische Werte zu schützen und das politische Wachstum von Muslimen und ethnischen Minderheiten gewaltsam zu behindern. Polizeigewalt ist in muslimischen Vierteln weit verbreitet.

Ravina Shamdasani, Sprecherin des Büros des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, drückte in einer Erklärung am Freitag ihre Besorgnis über den Tod der 17-jährigen Nahil aus und sagte: „Dies ist der Moment, in dem sich das Land ernsthaft mit den tiefgreifenden Problemen von Rassismus und Diskriminierung in der Strafverfolgung befassen muss.

Das Gesetz, das das Handeln der Polizei regelt zielt darauf ab islamfeindliche und rassistische Praktiken zu schützen. Es wurde geschaffen, um die Immunität der Polizei zu schützen und gibt Polizeibeamten viel Spielraum bei Gesprächen mit Muslimen und Nicht-Weißen.

Im Fall des Mordes an Naheel wurde das entsprechende Gesetz – der Einsatz von Schusswaffen durch die Polizei – 2017 unter starkem islamfeindlichen Druck verabschiedet, um den rechtlichen Rahmen für Polizeieinsätze in Vierteln mit muslimischer Mehrheit zu lockern. Kritiker gehen davon aus, dass die Polizei damit eine Lizenz zum Töten erhielt.

 

Staubige Atmosphäre der französischen Gesellschaft

Ein in der Nacht zim Opferfest begangenes Polizeiverbrechen allein erklärt nicht alleine das bemerkenswerte Ausmaß der Unruhen.

Um die Motivation der Beweggründe vieler junger französischer Bürger zu verstehen, muss man sich die aktuelle Situation in Frankreich ansehen. Tatsächlich herrscht in diesem Land eine berauschende Atmosphäre der Islamfeindlichkeit und des Rassismus. Islamophobie ist Kern des französischen politischen Diskurses und die Kriminalisierung des Islam und der Muslime ist zum Mainstream geworden.

 

Islamfeindlichkeit ist Kern des politischen Diskurses in Frankreich

 

Wie in einer Erklärung gegenüber einem Mitglied des Stadtrats (Nantes) heißt es, dass tief verwurzelte Islamophobie einen fruchtbaren Boden für Gewalt bot: „Hören Sie, genau das ist es! Sie kritisieren unsere Religion, sie denken,wir seien ungebildet und Abschaum. Es reicht!"

Die französischen Medien und Politiker praktizierten häufig Rufmorde unter Berufung auf eine kriminelle Vergangenheit. Diese Erzählung bedeutet, die Schwere des Mordes (des Opfers) zu unterschätzen. Machtstrukturen nutzen diese Taktik systematisch, um die abscheulichen Verbrechen des Staates zu relativieren.

Die Angaben zum Opfer sind in diesen Fällen unerheblich. Ein Vorstrafenregister (die Person des Opfers) rechtfertigt keinen Mord durch Strafverfolgungsbehörden. Dieses entmenschlichende Narrativ das auf ein ermordetes Kind abzielt entfremdet französische Bürger muslimischer und nicht-weißer Herkunft noch mehr.

Während die Unruhen andauerten versuchten Medien und Politiker diese Aufstände als Ausdruck einer moralischen und pädagogischen Krise darzustellen und ihren politischen Charakter zu leugnen. Der französische Präsident Emmanuel Macron rief die Eltern dazu auf sich verantwortlich zu fühlen.

Dieser zweiten Erzählung zufolge war Gewalt keine natürliche Reaktion auf schweres Unrecht, sondern das unverständliche Verhalten von Kindern aufgrund mangelnder elterlicher Fürsorge und Bildung.

Anstatt zu versuchen legitime politische Missstände zu verstehen, die durch Gewalt zum Ausdruck kommen, beschämten beide Narrative die Regierung und gaben ihr die Schuld an den Opfern von Islamophobie und Rassismus. Sie wirkten als Katalysator für Gewalt und schürten die Verzweiflung und Entschlossenheit der Randalierer.

 

Islamfeindlichkeit ist Kern des politischen Diskurses in Frankreich

 

Das Gesamtbild zeigt die Folgen der Entmenschlichung eines Teils der Bevölkerung durch die Regierung. Die Verweigerung ihres Rechts auf Sicherheit, Äußerung ihrer Beschwerden, ihrer politischen Meinungen und Einschränkung ihrer Grundrechte beweisen, wie sehr die französische Regierung ihre Existenz verachtet.

Arabische, schwarze und muslimische Leben spielen keine Rolle. Sie können nach Belieben mit Füßen getreten und bestohlen werden. Es gibt jedoch einen Ausweg aus dieser Situation.

Wie bereits bewiesen ist eine Polizeireform unrealistisch. Seine Funktion ist Islamfeindlichkeit und Rassismus. Darüber hinaus unterstützt mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder rechtsextreme Parteien so dass nur ihre vollständige Abschaffung zu einem Systemwechsel führen könnte.

Somit ist die Wut junger Rebellen eine vorhersehbare Reaktion auf einen beunruhigenden Mord. Das harte Vorgehen der Regierung wird die Unruhen bald stoppen, aber es wird die Stimmung der Demonstranten auf lange Sicht nicht ändern da die Grundursachen bestehen bleiben.

Übersetzung ins Persische: Mohammad Hasan Gudarzi

Übertragung vom Perischen ins Deustche: Stephan Schäfer

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